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Fide-WM 2001 in Moskau
es berichtet
Gastkorrespondent Hans Wiechert
An der FIDE-WM geht es langsam zur
Sache: Bei den Frauen stehen sich im Finale die
umtriebige siebzehnjährige Russin Alexandra Kosteniuk (http://www.kosteniuk.com),
die auf ihrer Webseite voll auf ihre optischen Reize
setzt und damit die schachbegeisterten, meist männlichen
Internetsurfer in ihre heiligen Hallen zu locken versucht,
sowie die dem Geschmack des Berichterstatters nach noch hübschere,
mit 25 Jahren etwas ältere Chinesin Chen Zhu gegenüber.
Remisen scheinen bei den beiden Protagonistinnen verpönt
zu sein, denn nach Kosteniuks Sieg in der ersten Partie
schlug die mit 2497 gegenüber 2455 Elo favorisierte
Chinesin postwendend zurück, um heute mit einem
Schwarzsieg, der im KO-System fast schon doppelt zählt,
für eine Vorentscheidung zu sorgen. In einer
ultrascharfen Variante im Najdorf-Sizilianer ging die
Russin ein sehr hohes Tempo und trieb ihre Königsflügelbauern
ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne, woraufhin die
Chinesin das einzig Richtige tat und im Zentrum
dagegenhielt (es handelte sich dabei um den lehrbuchmäßigen
Vorstoß d6-d5). Irgendwie kam dann Kosteniuks Angriff
trotz des unrochierten schwarzen Königs ins Stocken, während
die Chinesin am Damenflügel schnell die Initiative an
sich riß und nach einem kapitalen Bock Kosteniuks (25.Dd4?)
einfach den auf a2 einstehenden weißen Randbauern
herausfraß und mit einigen weiteren gezielten
Peitschenhieben (26...e3, 30..b3 nebst Sa4) den weißen König
aus seinem Unterschlupf trieb und die Partie nach einem
erzwungenen Qualitätsopfer seitens des Weißen (33. Txd5+)
im Sturmangriff (35..Dd2+, 36..Tf8+) für sich entschied.
Nach dieser vernichtenden Niederlage muß die Russin nun
morgen mit Schwarz zurückschlagen, um noch den Tie-Break
zu erreichen, andernfalls wäre die Chinesin
Weltmeisterin.
Bei den Herren der Schöpfung, bei denen gerade die
Halbfinals in die entscheidende Phase gehen, ist in der
ersten Begegnung zwischen dem indischen Multimillionär
Viswanathan Anand (Elo 2770) und dem ukrainischen
Tausendsassa Vassily Ivanchuk (Elo 2731) nach drei
Partien noch alles offen, konnte doch keiner der beiden
bisher zu einem vollen Punktgewinn gelangen. In einem
recht langweiligen Franzosen gab es heute nach 27 Zügen
ein echtes "Supergroßmeisterremis", welches
aber eher dem Titelverteidiger Anand zu nützen scheint,
denn morgen kann er dem Ukrainer mit einem Weißsieg
bereits den Todesstoß verpassen, oder aber mit einem
lockeren Remis ins Tie-break gehen und dort seine
Schnellschachqualitäten ausspielen.
Ganz anders sieht es da im zweiten Halbfinale aus, denn
nach den beiden Auftaktremisen gelang es heute dem
ukrainischen Supertalent Ruslan Ponomariov (Elo 2684),
seinen Widersacher Peter Svidler aus Rußland (Elo 2686)
mit den schwarzen Steinen zu besiegen, und das
ausgerechnet in einer als "Remiseröffnung"
verschrieenen Russischen Verteidigung. Im 13. Zug brachte
Svidler eine Neuerung (13.Te1), die aber nicht die
erhoffte Wirkung zeigte und lediglich zum Ausgleich führte.
Mit einem superstarken positionellen Qualitätsopfer (16..Te4!!)
ließ Ponomariov sein Genie aufblitzen und spielte das
neue Spitzenbrett des mittelbadischen Neuzweit-(und bald
Neuerst-)ligisten aus Baden-Oos im Folgenden in Grund und
Boden. Ähnlich wie bei den Frauen muß Svidler nun
morgen mit den schwarzen Steinen alles auf eine Karte
setzen, um zumindest noch den Tie-Break zu erreichen.
Gez. Schachmeister Hans Wiechert
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