Ein Meilenstein für Fischer
Random Chess Interview
mit Peter Leko über einen einmaligen Zweikampf Peter Leko war nicht nur einst mit 14 Jahren der jüngste Großmeister aller Zeiten, der Ungar hat sich mittlerweile fest im elitären Zirkel der Top Ten etabliert. Bis auf Platz fünf der Weltrangliste kletterte der 21-Jährige im Januar, bevor im April mit dem Verlust zweier Positionen erstmals ein kleiner Rückschritt zu verzeichnen war. Nicht etwa ein deutscher Schachspieler erfährt die meiste Unterstützung von Sponsoren in der Bundesrepublik, sondern Leko. Auch dank seiner hervorragenden Sprachkenntnisse. Seit Jahren zählt der Weltklassespieler aus Szeged bei beiden deutschen Topturnieren, den Chess Classic und in Dortmund, zum Stammpersonal. Vom 26. bis 29. Juni (Spielbeginn jeweils 15 Uhr) stellt sich Leko in Mainz einer besonderen Herausforderung: Mit dem Weltranglistenvierten Michael Adams (England) trägt er ein Match über acht Partien im Fischer Random Chess aus. Dabei wird nach bestimmten Regeln die Figurenstellung vor Beginn jedes Duells ausgelost. Dies verhindert das Herunterspielen von ellenlangen Theorievarianten. Hartmut Metz unterhielt sich mit Peter Leko über das interessante Experiment, dem sich erstmals zwei Weltklasse-Großmeister stellen. Metz: Ihr Zweikampf gegen Michael Adams besitzt historischen Charakter. Laut Gerüchten sollen Sie aber schon privat einige Partien mit dem Erfinder des Fischer Random Chess, Bobby Fischer, gespielt haben. Peter Leko: Um es kurz zu machen:
Ich hatte wirklich eine enge Freundschaft mit Bobby in
den vergangenen Jahren seines Aufenthaltes in Budapest.
Es war eine fantastische Erfahrung für mich, aber ich möchte
die Erinnerungen lieber für mich behalten. Fragen Sie
bitte Bobby über mich und ob er selbst etwas sagen will.
Im Übrigen: Was wäre das für eine Freundschaft, wenn
ich hinter seinem Rücken Dinge erzählen würde, die
nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind? Metz: Fischer soll Ungarn
verlassen haben und nun in Japan leben. Leko: Ja, das stimmt wohl, aber
ich habe seit etwa einem Jahr keinen Kontakt mehr zu ihm.
Aber es wird ihm dort gut gehen, denn er liebt die
japanische Küche. Metz: Was erwarten Sie von Ihrem Vergleich mit Michael Adams? Leko: Das wird eine ganz spannende
Angelegenheit. Ich glaube, dass für Mickey das Fischer
Random Chess wie geschaffen ist. Ich stehe vor einer
Aufgabe, die höchster Konzentrations- und Rechenfähigkeit
bedarf. Metz: Das bedeutet: Sie sehen sich nicht in der Favoritenrolle, weil Sie schon Erfahrungen gegen Bobby Fischer sammeln konnten? Außerdem trug auch Ihr Sekundant Artur Jussupow im Vorjahr ein Fischer-Random-Chess-Match gegen das Programm Fritz on Primergy aus. Leko: Es gibt gerade mal ein
Geheimnis im Random, um es auf wirklich hohem Niveau
spielen zu können. Das lautet: natürliches Talent! Man
sollte doch meinen, dass die besten Spieler auf der Welt
etwas davon abbekommen haben. Es ist wohl nicht arrogant
zu behaupten, dass das auch auf Adams und Leko zutrifft.
Der Wettkampf zwischen Mickey und mir ist daher völlig
offen, denn es gibt keinen Maßstab. Große Erfahrung
habe ich eigentlich auch nicht. Das ist jedoch ganz in
Ordnung, denn die würde beim Random sowieso nicht viel nützen.
Mit Artur habe ich darüber nicht gesprochen, wir haben
andere Prioritäten in unserer gemeinsamen Arbeit. Aber
wenn Adams in ungewöhnlichen Stellungen wirklich stärker
sein soll als ich, müsste er das Match logischerweise
klar gewinnen. Da lassen wir uns mal überraschen.
Metz: Es gibt keine Eröffnungstheorie. Allgemein gelten Sie als der besser präparierte Spieler im Turnierschach. Büßen Sie dadurch mehr Ihrer Stärke ein als der eher auf unorthodoxe Varianten zurückgreifende Adams? Leko: Es scheint, dass Sie viele
Artikel im Internet gelesen haben. Wenn Lekos Spiel und
Erfolg wirklich nichts anderes ausmacht als Neuerungen,
dann versuchen Sie dem Publikum doch mal klar zu machen,
wie er im Alter von 14 Jahren Großmeister geworden ist
und da schon gegen Super-Großmeister ganz erfolgreich
gespielt hat, die die Theorie zehnmal mehr kannten als
der kleine Junge. Ein anderes Beispiel ist das
traditionelle Janus-Schachturnier (Anmerkung: Beim Janus-Schach
wird auf einem 10x10 Felder umfassenden Brett gespielt;
hinzu kommt die tückische Figur namens Janus,
die wie Läufer und Springer ziehen darf) in Saarbrücken,
das ich viermal in Folge gewonnen habe, ohne auch nur
eine einzige Partie zu verlieren. Es gibt auch beim
Random keinerlei Theorie und prinzipiell keine bekannten
Strukturen. Ich bin also nicht sicher, ob das ein
Nachteil für mich ist. Natürlich werde ich versuchen,
so einen Wettkampf auch zu genießen. Im Moment freue ich
mich jedenfalls darauf. Aber es ist und bleibt ein
Wettkampf, den jeder von uns gewinnen will. Deshalb
herrscht schon ein gewisser Druck. Immerhin ist der
Sieger in diesem Match so etwas wie der Weltmeister im
Fischer Random. Schließlich wurde noch nie zuvor auf so
hohem Niveau ein Zweikampf gespielt. Metz: Glauben Sie, dass Fischer Random Chess Chancen hat, sich durchzusetzen? Oder pflichten Sie eher den Leuten bei, die wie Ihr Sekundant Jussupow meinen, das herkömmliche Schach sei kompliziert genug? Leko: Ich bin einverstanden mit den
Leuten. Es gibt im normalen Schach noch so viel zu
entdecken und natürlich immer genug Probleme, auch auf höchstem
Niveau. Dennoch sehe ich eine Zukunft für Fischer Random.
Warum denn nicht? Niemand weiß, wer die stärksten
Spieler im Random sind. In Mainz wird sicher ein erster,
erfolgreicher Meilenstein dafür gesetzt. Für diese
Innovation sollte die Schachwelt Hans-Walter Schmitt
dankbar sein. Metz: Welches Endresultat prophezeien Sie für die acht Partien? Leko: Ich erwarte von mir selbst,
dass ich mein Bestes gebe. Ich will gewinnen. Metz: Außerdem treten Sie tags darauf, am 30. Juni, gegen ein Programm an, das auf einem Handheld läuft. Pocket Fritz sollte der Hardware wegen schwächer als sein großer Bruder, Fritz on Primergy, sein. Diesen Hochleistungscomputer schlugen Sie im Vorjahr in beeindruckender Manier 1,5:0,5. Leko: Bei diesen Programmen weiß
man nie. Man muss die Sache schon ernst nehmen, sonst
geht es nicht. Ein Ergebnis wie im vergangenen Jahr wäre
mir natürlich recht. Metz: Ihre Kontakte nach Deutschland sind exzellent. Deutsche Firmen sponsern Sie, die deutsche Webseite www.Chessgate.de setzt künftig auch auf Sie. Was planen Sie mit dem Internet-Auftritt? Leko: Ich schloss kürzlich einen
mehrjährigen Ausrüstervertrag ab. Nachdem ich mehrere
Angebote von Schach- und Internetfirmen abgelehnt hatte,
hat mich das Konzept von Chessgate überzeugt. Mit den
dabei engagierten deutschen Großmeistern ist die
schachliche Kompetenz gewährleistet. Ich werde bei
Chessgate meine eigene Homepage einrichten. Die Jungs
planen eine Menge Aktivitäten mit mir, auch Produktionen.
Ich glaube, es ist ein ausgezeichneter Deal, an dem alle
Beteiligten noch viel Freude haben werden. Das wichtigste
aber ist, dass ich dank des Portals einen engen Kontakt
zu vielen Schachfans halten kann.
Leko: In der Tat, das mache ich
gerne. Nach meinen Partien werde ich täglich am
Chessgate-Stand mit dem Publikum diskutieren und
analysieren. In Dortmund sammelte ich bereits einige
Erfahrung in diesen Dingen, gemeinsam mit meinem persönlichen
Sponsor, der RWE Gas. Für einige meiner Kollegen käme
so etwas sicher nicht in Betracht. Mir hat der direkte
Kontakt mit den Fans allerdings Spaß bereitet. Außerdem
bin ich der Meinung, dass ich so dem Schachpublikum auch
Respekt zollen kann. Die Leute kommen, um uns spielen zu
sehen. Dafür sollte man dankbar sein und auch mal etwas
zurückgeben, selbst in schwierigen Situationen. Metz: Der andere Höhepunkt der Chess Classic Mainz ist das Duell der Weltmeister. Sie spielten stets bei der K.o.-WM des Weltverbandes Fide mit. Dort wurde auch Ihr Freund Viswanathan Anand Weltmeister. Erachten Sie ihn deshalb auch als den Weltmeister? Oder gebührt dieser Titel doch eher Wladimir Kramnik, der Garri Kasparow entthronte? Leko: Ich schließe mich der
Meinung beider Spieler an: Leben und leben lassen. Vishy
ist der Weltmeister der FIDE, hat in Delhi und Teheran
ein Superturnier gespielt. Und Wladimir hat die
Vorherrschaft des stärksten Spielers der vergangenen 15
Jahre gebrochen. Unter Berücksichtigung der Traditionen
ist es logisch, dass auch er sich als Weltmeister sieht
und fühlt. Wir haben momentan eben zwei Champions, einen
bärenstarken Kasparow und einige junge Großmeister, die
ebenfalls genug Potenzial besitzen. Das sorgt für viel
Spannung und Interesse. Was soll daran also schlecht sein?
Im Boxen gibt es bis zu vier Weltmeister in jeder
Gewichtsklasse. Ab und zu treffen die dann aufeinander.
Das sind die wirklich großen Kämpfe. Metz: Die Funktionäre der Fide
sehen das Thema weniger gelassen ... Leko: Was im Schach fehlt, ist der
Respekt einiger Funktionäre vor dem, was die Menschen
wirklich wollen. Ebenfalls halten es einige der so
genannten Entscheidungsträger nicht für nötig, die führenden
Großmeister an den wichtigsten Entwicklungen zu
beteiligen. Zum Beispiel macht die neue Zeitkontrolle gar
keinen Sinn. Momentan haben wir klassisches und
Schnellschach. Beide Disziplinen könnten sich noch mehr
etablieren und mit Hilfe des Weltverbandes besser
vermarktet werden. Die neue Disziplin jedoch kann ich
weder dem klassischen noch dem Schnellschach zuordnen.
Sie tritt in Konkurrenz mit den vorhandenen Formaten und
schadet diesen - ohne jeglichen Grund! Da sind
offensichtlich sehr viele persönliche Interessen und
auch Politik im Spiel. Das hat mit der notwendigen
Professionalität im Spitzensport wenig zu tun.
Metz: Kann es bei diesen verhärteten
Fronten einen Ausweg geben? Leko: Ich bin sicher, dass sich
die Dinge ganz natürlich regeln. Octagon ist ein
Hoffnungsschimmer. Die haben verstanden, dass es ohne uns
Spieler nicht gehen wird. Am Ende werden aber die
Millionen Schach-Liebhaber entscheiden, wenn es auch ein
wenig dauern mag. Das Publikum macht den Markt, nicht
aber eine Organisation oder ein Konzept. Vor allem dann
nicht, wenn der Wille der Mehrheit vernachlässigt wird.
Medien und Sponsoren werden schauen, welche Interessen
das Publikum hat, so läuft das - und nicht umgekehrt.
Ich will aber eines unterstreichen: Solange ich den
Eindruck habe, dass kein ernsthaftes Interesse an den
Auffassungen der Großmeister besteht, werde ich mich an
den momentanen Auseinandersetzungen nicht beteiligen.
Metz: Wagen Sie eine Prognose für das prestigeträchtige Duell zwischen Anand und Kramnik? Leko: Es wird knapp. Vielleicht fällt
in zehn Partien gar keine Entscheidung, und das Match
geht beim Stand von 5:5 in die Verlängerung. |
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